A. Gerber: Katholische Filmarbeit in der Schweiz

Cover
Titel
Eine gediegene Aufklärung und Führung in dieser Materie. Katholische Filmarbeit in der Schweiz 1908–1972


Autor(en)
Gerber, Adrian
Reihe
Religion – Politik – Gesellschaft in der Schweiz 53
Erschienen
Freiburg 2010: Academia Press
Anzahl Seiten
285 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Constanze Jecker

Wissenschaftliche Arbeiten zur Schweizer Mediengeschichte sind rar, wenn man sie z. B. mit dem Literaturangebot in Deutschland vergleicht. Noch seltener sind historische Studien über konfessionelle Medienprodukte und kirchliche Medienarbeit. Schon aus diesem Grund ist das auf einer Lizentiatsarbeit basierende Buch von Adrian Gerber eine lohnende Lektüre. Im Zentrum steht die wechselvolle Geschichte der (institutionellen) katholischen Filmarbeit in der Schweiz, die vor allem durch die Veränderung der Medienlandschaft und durch den gesellschaftlichen Wertewandel geprägt war. Die Untersuchung konzentriert sich – notabene wegen des beschränkten Umfangs einer solchen Arbeit – auf den Zeitraum von 1908 bis 1972 und lässt somit die tiefgreifenden Veränderungen der letzten rund 30 Jahre weitgehend unberücksichtigt. Eine gewisse Aktualität erhält die Studie im Übrigen durch das Einstellen des ökumenischen Medienhefts: Die Herausgeber dieser online- Publikation – der «Katholische Mediendienst» und die «Reformierten Medien» – teilten Ende August 2011 mit, dass sie die seit Mitte 2000 existierende gemeinsame Publikation aus finanziellen Gründen beenden müssten. Die Wurzeln des «Medienhefts» finden sich just in der katholischen Filmarbeit, die Adrian Gerber in seinem Buch untersucht.

In seiner Bestandsaufnahme der katholischen Filmarbeit und -publizistik in der Schweiz des 20. Jahrhunderts berücksichtigt der Autor zahlreiche organisatorische Gesichtspunkte. Hierzu gehören u. a. ökonomische Aspekte sowie Konflikte zwischen den zentralen (katholischen) Akteuren, namentlich zwischen dem Direktorium und dem Generalsekretariat des «Schweizerischen Katholischen Volksvereins» (SKVV). Zudem setzt Gerber die Entwicklung der katholischen Filmarbeit und -publizistik in Beziehung zur reformierten Medienpublizistik, die (nicht nur) in der Schweiz alles in allem weniger ausgeprägt war.

Der Autor beleuchtet den Untersuchungsgegenstand ferner aus verschiedenen thematischen Blickwinkeln: Interessant ist z. B. ein Überblick über die Dokumente, die der Vatikan zu medienpolitischen und -ethischen Fragen publizierte. Hier werden internationale Bezüge der schweizerischen katholischen Filmpublizistik sichtbar. Diesbezüglich hätte man sich durchaus ausführlichere Darstellungen und inhaltliche Verknüpfungen gewünscht; so hätte sich die nationale Geschichte in einen grösseren Zusammenhang einbetten lassen, was höchstwahrscheinlich weitere aufschlussreiche Erkenntnisse nach sich gezogen hätte.

Informativ ist insbesondere die Analyse der Artikel, welche im Filmberater (1941 bis 1972) – dem «Organ der Filmkommission des schweizerischen Katholischen Volksvereins» (Untertitel von 1946 bis 1967) – publiziert wurden. Vor allem die Filmbesprechungen sind ein eindrückliches Zeugnis des Zeitgeistes: In ihren (medien-) ethischen Bewertungen empfahlen die Redaktoren Filme z. B. ausschliesslich «für Erwachsene und reifere Jugendliche» oder «für reife Erwachsene». In anderen Besprechungen wurde vor der Rezeption der Filme gewarnt; «mit ernsten Reserven, abzuraten» bzw. «abzulehnen» lauteten die unmissverständlichen Urteile. Durch eine Inhaltsanalyse gelingt es Gerber, die sich langsam verändernde Wertungspraxis der Filmbesprechungen aufzuzeigen und in den gesellschaftlichen Wertewandel einzubetten, so dass er feststellen kann: «Ende der 60er Jahre war in Unterhaltungsfilmen die nichtwertende Thematisierung von Diebstahl, Mord und Ehebruch oder die Abbildung nackter Körper allein kein Grund mehr für ethische Vorbehalte. [...] Ähnlich wie in der Parteipolitik oder der Theologie verschwand in der Filmarbeit grösstenteils der totalisierende Wahrheitsanspruch, der Bezug zu einem geschlossenen Gesellschaftsentwurf sowie die Selbstsicherheit und Resolutheit, mit der früher Filmurteile gefällt worden waren.» (131). Vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund erscheint es denn auch logisch, dass die seit Ende der 50er Jahre rasant gestiegene Auflage des Filmberaters – und somit auch der Einfluss der katholischen Filmpublizistik als Ganzes – bis anfangs der 1970er Jahre stetig an Einfluss verlor. 1973 fusionierte der Filmberater schliesslich mit der reformierten Medienzeitschrift ZOOM. Das neue ökumenische Produkt erschien unter verschiedenen Titeln bis 1999.

Parallel dazu entwickelte sich in den 70er Jahren eine – wie Gerber es bezeichnet – «verkirchlichte» Filmarbeit. Das «Filmbüro der Schweizerischen Katholischen Filmkommission», das früher vor allem Filmbewertungen im Filmberater veröffentlicht hatte, förderte nun u. a. Filmproduktionen, den Schmalfilmverleih und den Einsatz von Filmen in der kirchlichen Bildungsarbeit. Vom anfänglichen Anspruch, das Kino (-programm) zu reformieren, hatten sich die Verantwortlichen damals längst verabschiedet, wie Gerber am Schluss seines Buches konstatiert.

Die Studie ist als Lektüre zur empfehlen, wenn man sich intensiv mit der facettenreichen Geschichte der katholischen Filmarbeit, der Filmgeschichte im Allgemeinen sowie mit dem konfessionellen Lebensgefühl in der Schweiz beschäftigen möchte. Eindrücklich und verdienstvoll ist, dass Gerber umfangreiche Quellenbestände erschlossen und ausgewertet hat.

Zitierweise:
Constanze Jecker: Rezension zu: Adrian Gerber, «Eine gediegene Aufklärung und Führung dieser Materie». Katholische Filmarbeit in der Schweiz 1908 – 1972, Fribourg/Freiburg (Schweiz), Academic Press Fribourg, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 105, 2011, S. 559-560.

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